Was bitte ist ein Jeganer?

Countdown zum Leben als Veganer – mit einer kleinen großen Adaption

Ich bin 52 Jahre alt und esse Fleisch für mein Leben gerne. Gegrillt, paniert, gebraten und auch roh. Französischen Käse hab` ich fast noch lieber. Umso stinkender, desto besser. Seit ich 8 Jahre alt bin steht mein Ei im Glas mit einem Buttersemmerl auf dem Frühstückstisch. Und ich bin Jäger. Mit eigenem Revier. Mit der Jagd verbunden seit ich gehen kann.

Schwere Voraussetzungen für einen Veganer. Möchte man meinen. Ist auch so. Und ich habe auch schon recht ordentlich Bammel vor Montag, dem 16. November 2015. Dem Tag, ab dem ich kein durch Tierhaltung entstandenes Produkt mehr essen werde. Diese Formulierung ist bewusst so gewählt, denn es gibt eine kleine große Einschränkung in meinem zukünftigen veganen Setting.

Jäger + Veganer = Jeganer
Denn ich werde nicht aufhören zu jagen. Auf die Art und Weise wie ich die Jagd schon immer betreibe und ethisch und moralisch mit reinem Gewissen vertreten kann. Und das Fleisch von Wild, das ich selbst geschossen habe, werde ich essen. Mit Sicherheit mit noch größerem Respekt und Genuss als bisher. Das ist auch schon die im Titel angesprochene Adaption.

Wald-im-Morgennebel

Ich werde – wie es meine schon vegan lebende Tochter Mia so schön erfunden hat – also zum „Jeganer“.
Mein Freund Michael Hartl hat mich eingeladen, meinen Weg zum Jeganer öffentlich zu beschreiben. Lustigerweise ja schon bevor mein jeganes Leben so richtig begonnen hat, denn ich habe heute noch genau 20 Tage vor mir, an denen ich so verantwortungslos essen werde, wie in den 19.179 Tagen, die ich – auch genau – schon auf der Welt bin.

Was spricht für mich gegen die Tierhaltung?
Ich folge Michaels Einladung sehr gerne, denn ich bin der (immer festeren) Überzeugung, dass sich eine verantwortungsvolle Lebensführung mit dem Konsum von aus Tierhaltung entstandenen Produkten nicht verträgt. Gar nicht verträgt. Ja es sogar ein ganz bewusst vorgenommenes „Dieaugenverschließen“ sein muss, ganz bestimmte Tatsachen ganz bewusst aus seinem Blickfeld zu verdrängen.

51% des weltweiten Wasserkonsums wird durch Tierhaltung verursacht.
Die Energieverschwendung zum Beispiel bei Rindfleisch beträgt 8 zu 1.
70% der weltweiten Ackerfläche werden für die Produktion von Tierfutter genutzt.
Die Furze, die Scheisse und die Pisse von in Massentierhaltung gezogenen Tieren verursacht mehr Verschmutzung als alle Autoabgase zusammen. Weltweit.
Für die Produktion eines simplen Fastfood-Hamburgers wird mehr Wasser benötigt, als das normale Duschen eines Monats verbraucht.
Effiziente Tierhaltung verursacht zwangsläufig vermeidbares Tierleid.
Es ist irrelevant, ob die hier angegebenen Zahlen auf Punkt und Komma stimmen. Die Quelle stammt weder von Greenpeace, Peta oder sonst irgendeiner Organisation mit eindeutiger Absicht, sondern von der zur Neutralität verpflichteten FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen.

Denn die Fakten sind – selbst wenn sie sogar um zweistellige Prozentzahlen übertrieben wären – schlimm genug. Und eigentlich ohne jede weitere Erklärung auch überzeugend genug, auf Produkte aus Tierhaltung sofort verzichten zu wollen. Im Wissen (und nicht nur in der Vermutung) um die langfristig fatalen Folgen.

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Zukünftiger Jeganer Martin Rohla – ®NicoleHeilingPhotography
Warum fällt es dann so verdammt schwer?
Auch in Anbetracht der Tatsache, dass in den aufstrebenden Schwellenländern der Fleischkonsum auch aus Statusgründen stark zunimmt. Wie ja auch bei uns nach dem Krieg. In Anbetracht der Tatsache, dass wir selbstverständlich unsere Kinder rügen, wenn sie ein Papierl aus dem Fenster schmeißen wollen. Oder passionierte Mülltrenner sind. Oder immer öfter mit der Bahn fahren. Oder uns ein Elektroauto kaufen. Oder auf lange Flugreisen verzichten. Weil wir uns eben immer mehr mit nachhaltigem Lebensstil beschäftigen und mit der sozialen und ökologischen Hauptverantwortung: Den auf uns folgenden Generationen möglichst wenig Schaden zuzufügen.

Und da ignorieren wir doch tatsächlich die größte Umweltsünde vollkommen? Aus blöder Gewohnheit? Aus feiger Bequemlichkeit?

Ich rede natürlich jetzt nur von Menschen wie mir. Und nicht wie Euch, denen das schon längst klar ist und die ihr – eventuell noch verstärkt durch (höchst respektable, aber von mir halt nicht geteilte) tierrechtliche Motivation – schon längst auf alles aus Tierhaltung Stammendes verzichtet.

Aber Ihr seid halt wenige und wir sind halt viele. Leider.

Auf Produkte aus Tierhaltung verzichten – trotz Lust darauf
Darum will ich versuchen mit gutem Beispiel voranzugehen. Und davon berichten. Ungeschminkt. Eventuell sogar von meinem Scheitern. Aber auf jedem Fall von dem täglichen Kampf, den eine so gravierende Umstellung mit sich bringt. Und ich will jetzt nicht ein Wort hören, dass es doch gar nicht so schlimm ist. Oja. Ist es. Denn simpel gestrickte Genussmenschen wie ich lieben es, ihre Gelüste zu befriedigen, ohne sich dabei durch Gedanken an die Folgen groß stören zu lassen.

Ich liebe das Krachen einer knusprigen Schweinsbratenkruste, wenn ich darauf beiße. Die Sensation eines am Gaumen zerschmelzenden gut gereiften Camemberts. Das zarte Fleisch einer mit Petersilie und ein bissl Knoblauch gefüllten Forelle.

All das wird ab 16. November 2015 nicht mehr Teil meines Lebens sein. Dafür aber etwas anderes. Ich halte Euch am Laufenden.

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